Mission Mars 1989

Text über die Arbeit: Über das Fremd-Sein und Ankommen in einem anderen Land

1989 sind Anna und Sweta 10 Jahre alt. Annas Familie migriert aus Polen nach Deutschland, Swetas aus Kasachstan. Beide kennen sich und ihre Welten nicht. Als sie nach vielen Stationen im Übergangswohnheim Battenberg aufeinander treffen, werden sie Freundinnen. Sie werden eine der anderen zur Begleiterin in diesen ersten Jahren in Deutschland, in den unbestimmten Jahren zwischen Kindheit und Pubertät. Später verlieren sie sich aus den Augen.

Mit eigenen Bildern und ausgemalten Träumen reisten beide nach Deutschland. Jetzt erleben sie zusammen, was es bedeutet anzukommen und doch nicht anzukommen, was es bedeutet, die Fremden in einem Land zu sein, das doch so anders ist als gedacht. Diese Reise ist ohne Rückkehr, ein One-Way-Ticket, eine Mission ins Unbekannte. Die Heimat, ihre Kindheit liegt hinter ihnen.

Ihre Wege trennen sich, jede baut ihr eigenes Leben in Deutschland auf. Sie studieren, finden ihre Berufe, Partner, Freunde, Sweta wird Mutter. Sie sind erwachsen geworden. 25 Jahre nach der Trennung, zu Annas Geburtstag, schickt Sweta eine Nachricht: Hallo Anna, gestern musste ich plötzlich an dich denken. Augenblicklich sind die Jahre von damals wieder da.

Als sie sich treffen, wird die Welt der Kindheit und des Mädchen-Seins in ihnen wach. Die Künstlerin in Anna weiß: daraus möchte ich was machen. Eine Dokumentation schließt sie aus, das Thema ist viel zu emotional. Zu viele Erinnerungen und alte Gefühle werden während der Arbeit ins Bewusstsein gespült. Sie beschließen, eine Geschichte zu erzählen, eine neue Geschichte, in der sie beide, wie sie heute sind, mitspielen, eine Geschichte, die nicht alles auflöst. Denn es ist nichts aufgelöst: das Vergangene ist immer noch anwesend, als wäre es nie weg gewesen, und alles ist immer noch da: sie leben, sie arbeiten, sie spielen und träumen – aber das Ankommen, das hat es eigentlich nie ganz gegeben.

Text von Teresa Wiesehöfer